Hintergrund

Hausgottesdienste: Damit der Sonntag ein besonderer Tag bleibt

Sofa statt Kirchenbank. Klavier oder Musik-App statt Orgelbegleitung. Gesang, Gebet und Worte aus der Bibel oder dem Buch Mormon. Wo jemand zum Priestertum ordiniert ist, wird das Abendmahl gereicht. Schon die dritte Woche feiern die Gläubigen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage am Sonntag Hausgottesdienste im eigenen Wohnzimmer.

"Ich finde es gut, dass wir sonntags die Familienversammlung mit Abendmahl machen. Sonst wäre das ein Tag wie jeder andere und ich würde gar nicht merken, dass der Sonntag ein besonderer Tag ist. Es hilft mir auch, an diesem Tag mehr an Jesus zu denken", sagt der zehnjährige Jonathan Heslop, der sonst mit seiner Familie den Gottesdienst der Gemeinde Ludwigsburg besucht.

 

Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen sind angesichts der Corona-Epidemie in Deutschland vorerst untersagt, darauf haben sich die Bundesregierung und die Regierungschefs der Bundesländer geeinigt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag, den 16. März 2020, die neuen Leitlinien verlautbart, haben Heilige der Letzten Tage ihre ersten Erfahrungen mit Hausgottesdiensten bereits hinter sich.

Vier Tage vorher hatte nämlich die Erste Präsidentschaft, das höchste Führungsgremium der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, in einem Schreiben darüber informiert, dass „alle öffentlichen Versammlungen der Mitglieder der Kirche in aller Welt vorübergehend“ ausgesetzt werden.

"Egal, ob wir unsere Versammlungen in der Kirche oder zu Hause abhalten - ich kann überall den Geist des Herrn spüren", meint Jackson Heslop, Jonathans Vater. Die zwölfjährige Tochter Sophia ergänzt: "Dadurch, dass das Abendmahl zu Hause gesegnet wird, realisiere ich noch mehr, dass es etwas Besonderes ist, weil man es in einer anderen Routine macht."

Christliche Gemeinden landauf, landab übertragen ihre Gottesdienste im Internet. Fernsehgottesdienste verzeichnen Rekord-Einschaltquoten. Auch die Familie Heslop nutzt technische Mittel, um in Verbindung mit anderen Gläubigen zu bleiben. Die 14-jährige Mara und ihr zwei Jahre älterer Bruder Samuel nehmen per Videokonferenz am Seminar teil, einem außerschulischen Religionsunterricht. Wenn die Familie zusammenkommt, schaltet sie auf demselben Weg alleinstehende Gemeindemitglieder hinzu. Jugendgruppenleiter sind über einen Messenger-Dienst erreichbar und versenden geistliche Impulse.

Hauptaugenmerk bleiben für Heilige der Letzten Tage derzeit die Hausgottesdienste. Dabei treffen die Tage verschlossener Kirchentüren Mitglieder der Kirche Jesu Christi nicht unvorbereitet. Denn wenn sich die Gemeinde sonst zum Gottesdienst versammelt, beten und predigen alle Mitglieder reihum, vom Dachdecker bis zur Lehrerin und von der Jugendlichen bis zum Greis. Diejenigen, die das Abendmahl segnen und austeilen, kommen ebenfalls aus den Reihen der Gläubigen. Das Priestertum bleibt nicht einigen wenigen vorbehalten, sondern wird Mitgliedern der Gemeinde übertragen, die ihr kirchliches Amt ohne Bezahlung neben dem Beruf ausüben.

"Zu Hause das Abendmahl zu nehmen war für mich eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung. Aber es hat mir bewusst gemacht, wie dankbar ich bin und wie besonders es ist, Priestertumsträger in der Familie zu haben", erläutert Sabine Heslop, die Mutter von Jonathan, Sophia, Mara und Samuel. "In seiner weisen Absicht hat der Herr seine Kirche so organisiert, dass uns die Segnungen seines Evangeliums bestmöglich zugänglich sind - auch unter widrigen Umständen."

"Es ist schön, zu Hause das Abendmahl zu segnen und bringt mir eine engere Verbundenheit mit meiner Familie", freut sich Samuel. Mara gefällt das gemeinsame Lesen der heiligen Schriften und der Austausch darüber: "Wir konnten unsere Meinungen miteinander teilen und uns gegenseitig aufbauen."

Jedes Mitglied der Familie Heslop hat sich schon vor der Coronakrise am Gemeindeleben beteiligt. Jeder Aspekt eines Hausgottesdienstes wurde seit Jahren eingeübt. Die Schwerpunktlegung auf Kirche zu Hause ist nicht neu und keine Reaktion auf aktuelle Sicherheitsvorkehrungen.

Schon im Oktober 2018 erklärte Russell M. Nelson, Präsident der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei der weltweiten Generalkonferenz, es sei "an der Zeit für eine auf das Zuhause ausgerichtete Kirche" die von dem, was in Kirchengebäuden geschehe, unterstützt werde. Die Dauer der sonntäglichen Zusammenkünfte der Gemeinden wurde verkürzt. Die Kirche führte einen auf das Zuhause ausgerichteten Lehrplan ein.

In einer aktuellen Videobotschaft richtet sich Präsident Nelson an Mitglieder der Kirche weltweit. "Bitte geben Sie gut auf sich und Ihre Lieben acht. Halten Sie die Augen offen, wie Sie anderen nah und fern helfen können", appelliert er. "Vorübergehende Änderungen an unseren normalen Abläufen geben uns die Zeit, herauszufinden, wie kostbar das Evangeliumsstudium zuhause sein kann […] Dieses Evangelium schenkt in einer unruhigen Welt Hoffnung und Hilfe."

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.